Paradiesische Grenzerfahrungen

Der neue Great Limpopo Transfrontier Park im Dreiländereck Südafrika, Mosambik und Simbabwe bietet faszinierende Naturerlebnisse und erlaubt hautnahe Einblicke in eine uns fremde Kultur.

erschienen in »die Welt«, Axel Springer Verlag
© Regina Fischer-Cohen

Die Luft ist noch immer heiß und erfüllt vom Gesang der Glanzstare, Spinte und Pirole und von unzähligen anderen gefiederten Sängern. Ein sanfter Fahrtwind trägt dazu den würzigen Duft von wildem Salbei an die Nasen heran. Im letzten Abendlicht, das rosarot und ätherisch anmutend vom Himmel strahlt, wirkt das Ganze wie eine halluzinogene Droge aufs Gemüt. Selig eingelullt fängt sich das Auge in den uralten, sagenumwobenen Affenbrotbäumen, die wie mollige Riesen aus dem nachtdunklen Scherenschnitt der Flussrandwälder emporragen. Doch da zerreißt ein wütendes Trompeten jäh die Träumereien. Äste bersten laut im Dickicht der Mopane-Bäume, dann prescht plötzlich ein Elefant hervor. »Keine Panik!«, beruhigt Kevin Johnston, der es sich als Manager der »Outpost Lodge« im südafrikanischen Krüger-Nationalpark nicht nehmen lässt, seine Gäste ab und an persönlich auf Safari zu führen. Souverän erklärt der Bure, dass ein Dickhäuter, der wirklich angreifen will, seinen Rüssel schützend zur Seite legen würde. Der kräftig gebaute Bulle jedoch, der jetzt mit ungeahntem Tempo hinter uns herhetzt, hält seinen ganz locker nach vorn. Die Frage ist nur: Wie lange noch? Und ganz ehrlich - wen interessiert es, wie der Rüssel hängt, wenn einem gut sechs Tonnen in Wallung geratenes Lebendgewicht auf den Fersen sind? Kevin sieht das offenbar ähnlich und treibt den offenen Geländewagen auf Hochtouren - sicher ist sicher. Und so jagen wir nun einen überwucherten Pfad entlang. Hellwach und aufgeputscht vom Adrenalin, das jetzt durch unsere Adern schießt.
 
Wenn es so etwas wie einen Garanten für die Begegnung mit Südafrikas imposanten ,,Big Five" gibt, dann ist es der berühmte Krüger-Nationalpark. 1,5 Millionen Besucher pro Jahr sprechen schließlich für sich. Doch nicht jedem dürfte die Vorstellung gefallen, sich Stoßstange an Stoßstange auf  geteerten Trassen vorankämpfen zu müssen, um dann mit Dutzenden Pkw und Bussen um einen dösenden Löwen herumzustehen.
Das ist die Regel in weiten Teilen des Parks, aber durchaus nicht in allen. Viel ruhiger und nahezu menschenleer ist die Makuleke-Region im äußersten Norden des Parks unmittelbar an der Grenze zu Mosambik und Simbabwe. Mit dem mächtigen Limpopo als Grenzfluss im Norden und dem Luvuvhu im Süden war das 24 000 Hektar große Areal jahrzehntelang militärisches Sperrgebiet. So konnte sich eine paradiesische Flora und Fauna entwickeln, wie man sie sonst fast nur noch in Zentralafrika findet. Heute ist die Erkundung dieses Naturjuwels den wenigen Gästen der Luxus-Lodges »Outpost« und »Pafuri« vorbehalten sowie den Studenten eines Ecotrainings-Camps. Einzige Hürde für die Besucher: Selbst vom nächstgelegenen Parkflughafen Phalaborwa steht ihnen eine lange und recht eintönige Anfahrt bevor. Doch egal, wie sehr es den Körper bei der Ankunft in der »Outpost Lodge« in die Waagerechte drängen mag, an Schlaf denkt dort zunächst keiner mehr. Dafür sind die zwölf Suiten einfach viel zu sensationell.

Auf hohen Stahlpfeilern gestützt, schwebt jeder Raum für sich allein in luftiger Höhe an einem Berghang. Rückseitig über einen 500 Meter langen Laufsteg mit der Lobby und den anderen Suiten verbunden und nur dorthin begrenzt durch eine Betonwand, die in ihrer Nüchternheit geradezu erschreckend wirkt. Doch das ist reines Kalkül. Der in Italien geborene Architekt Enrico Daffonchio hat bewusst auf edlen Minimalismus gesetzt, um der grandiosen Wildnis hier den ganz großen Auftritt zu überlassen. Einem Traum gleich, eröffnet sich beim Betreten der nach vorn und zu beiden Seiten vollkommen offen gehaltenen Suiten ein einzigartiges 180-Grad-Parorama. Der Blick schweift dabei weit über das bewaldete Luvuvhu-Flusstal hinweg zu einer malerischen Bergkette und reicht bis nach Mosambik hinein. Elefanten, Büffel oder auch Kudus lassen sich aus dieser genialen Perspektive sogar mit bloßem Auge ausmachen. So fühlt man sich geborgen und frei zugleich wie in einem Adlerhorst. Dem Himmel ganz nah, das Paradies direkt zu Füßen.

Halb sechs Uhr in der Früh. Das ferne Gebrüll der Löwen, das die Nacht durchdrungen hat, ist gerade erst verhallt, und schon erwartet uns Guide Gordon mit der wichtigsten Frage des Vormittags: Game Walk zu den Badeplätzen der Elefanten am Flussufer im Tal – oder Safari in Richtung Crooks Corner, wo sich in den Fluten des Limpopo stets zahlreiche Nilkrokodile und Flusspferde tummeln. Oder vielleicht doch lieber zur Lanner-Schlucht mit der atemberaubenden Bergkulisse, in der man mit etwas Glück einen Leoparden entdecken könnte? Dabei ist es fast egal, wohin es geht, denn überall wandelt man hier auf einsamen Spuren dem Abenteuer entgegen.

Südafrikas nördlichste Provinz Limpopo hat aber neben dem Park natürlich noch mehr zu bieten. Und da lockt vor allem ein Besuch bei den Makuleke, deren Dörfer gleich in der Nähe des Parkeingangs Punda Maria liegen. 1969 im Rahmen der Apartheidgesetze brutal aus ihrer Heimat hier im Nationalpark vertrieben, hatte man das Volk der Makuleke kurzerhand 100 Kilometer weiter südwestlich im damaligen Homeland der Venda-Bevölkerung zwangsangesiedelt. Doch das Leid dieser Menschen hat sich in eine echte Erfolgsstory gewandelt, nachdem ihnen ihr Land vor elf Jahren wieder zugesprochen wurde. Damals waren sie weise genug, das Ganze als Teil des Nationalparks zu belassen. »Dafür profitieren wir jetzt als Privatverwalter von zehn Prozent des Gesamtumsatzes, den unsere Konzessionäre erwirtschaften«, erklärt Gibson Makuleke, der als enger Berater des heutigen Stammesführers an dem Kooperationsvertrag mitgewirkt hat. Dieser sieht vor, dass die Tourismusbetriebe nach 40 Jahren und intensivem Personaltraining in Stammesbesitz übergehen. Und die Zukunft sieht rosig aus. Seit dem Zusammenschluss des Krüger-Nationalparks mit den angrenzenden Nationalparks von Mosambik und Simbabwe im Jahre 2002 liegt das Konzessionsgebiet der Makuleke im Herzen des neuen 35 000 Quadratkilometer umfassenden Great Limpopo Transfrontier Park – dem größten Naturschutzgebiet des Kontinents. Die Möglichkeit, hier luxuriös und auf die Schnelle drei afrikanische Staaten bereisen zu können, hautnah die »Big Five« zu erleben und dann am Indischen Ozean zu entspannen, ist einmalig und lockt vor allem Touristen mit größerem Budget an.

Zum Abendessen gibt es für den verwöhnten Gaumen heute knusprig frittierte Mopane-Raupen. Gibson lacht herzlich angesichts der irritierten Blicke seiner vier Gäste, die in diesem Moment, das weiß er, die exquisite Sterne-Küche der »Outpost Lodge« herbeisehnen. Doch verhungern wird niemand hier an dem bunt gedeckten Tisch, den die Frauen des Makuleke-Dorfes in einer lauschigen Ecke ihres großen Festplatzes aufgebaut haben. Immer mehr Schüsseln mit afrikanischen Traditionsgerichten werden jetzt aufgefahren: Rindereintopf, scharf gebratene Hähnchenteile, Maispolenta, Okra...
Malerisch wie ein Bühnenbild zeichnen sich dazu im Schein der Fackeln die mit Stroh gedeckten traditionellen Rundhütten des Dorfes ab. Kein Zweifel - auf dieser abenteuerlichen Reise erlebt man tatsächlich noch ein Stück vom echten, unverfälschten Afrika.